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Unterstützungs-Statements

Sabeth Buchmann

Kunsthistorikerin und -kritikerin, Professorin für Kunstgeschichte der Moderne und Nachmoderne an der Akademie der Bildenden Künste Wien und Vorstand des Instituts für Kunst und Kulturwissenschaften

„Ich unterstütze das Projekt des `Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals´, das Mahnmal als einen Ort der politischen Zeichenproduktion ansichtig werden zu lassen. Über den konkreten Anlass hinaus handelt es sich um eine beispielhaft an der Stadt Wien festgemachte Geschichte des Ausschlusses, der Diskriminierung und Verfolgung, die den Zusammenhang von politischer und ästhetischer Moderne aus der Warte des kollektiven Umgangs mit Gedenkkultur beleuchtet.“

Martin Fritz

Kurator und Publizist, Wien

Die Forderung nach „Umgestaltung“ nimmt vielleicht bereits etwas zu viel vom Ergebnis einer Diskussion vorweg. Denkmäler, als Teil der historischen Stadtschichten brauchen Kommentierung, Kontextualisierung, Kritik, Bildung, Information und ganz sicher einen „Umgang“, der manchmal auch eine Umgestaltung sein kann. Ich unterstütze die Aktion nicht zuletzt auch, um mich solidarisch in das „Who is Who des österreichischen Linksextremismus“ (die Kultursprecherin der FPÖ Heidemarie Unterreiner in einer Aussendung vom 10.12.2009) einzureihen.

Leider ist das viel prominentere „Denkmal“ die Benennung des repräsentativsten Ringabschnittes. Dies umso mehr, als Straßenbenennungen und Adressen amtlicher Teil der Gegenwart einer Stadt sind. Solche „Denkmäler“ kann man nur entfernen: Der aus Wien vertriebene Medizinnobelpreisträger Eric Kandel hat dazu den einzig möglichen Umgang bereits gefordert: Die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings.

Hans Haacke

Künstler

Hitler würdigte Karl Lueger in “Mein Kampf” wegen der antisemitischen Lehre, die er bei ihm in seinen Wiener Jahren genossen hat. Am Denkmal für den Lehrmeister ist ein historisch kritischer Kommentar überfällig.

Verena Krieger

Universitätsprofessorin für Kunstgeschichte an der Universität für angewandte Kunst

„Als Neu-Wienerin bin ich erstaunt, dass diese Stadt einen aggressiven Antisemiten mit einem Denkmal würdigt, das ihn als Wohltäter darstellt, anstatt als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Als Kunsthistorikerin lehne ich es ab, Denkmäler vergangener Epochen zu zerstören, wenn sie aufgrund ihrer Tendenz nicht mehr in die Gegenwart passen – es sind Kulturgüter, die uns ein Stück Geschichte in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit sinnlich vor Augen führen, daher sollten wir sorgfältig mit ihnen umgehen. Als politisch denkender Mensch wünsche ich mir eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen, die zu der größten Barbarei der Menschheitsgeschichte geführt haben, weil dies eine elementare Voraussetzung dafür ist, dass sich solches nicht wiederholen kann.
Deshalb begrüße ich die Initiative zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal aus vollem Herzen, denn sie zeigt einen sinnvollen Weg auf, mit diesem `Stein des Anstoßes´ gleichermaßen geschichtsbewusst wie kulturell sensibel umzugehen. Wien besteht mit seinen Plätzen, Bauten und Denkmälern aus einer Vielzahl historischer `Schichten´, die sich im Laufe der Jahrhunderte übereinander gelagert haben und in denen die Geschichte sichtbar präsent ist. Es ist an der Zeit, dem Lueger-Denkmal eine neue `Schicht´ hinzuzufügen, welche die alte `Schicht´ weder zerstört noch überdeckt, sondern neu und kritisch wahrnehmbar macht.“

Birge Krondorfer

Politische Philosophin,
feministisch unterwegs

HERR-schaftsgeschichte wird im öffentliche Raum zumeist durch ihre Darstellung nicht nur quasi verdoppelt, sondern eingemeißelt ins eigentlich vergangenheitsflüchtige Bewusstsein. So geriert ein Denkmal zur Negation seiner zumindest möglichen Bestimmung: zementiertes Andachtspathos statt schlicht mal nach zu denken. Ob künstlerische Intervention hier Inventur einer selektiven Wahrnehmung - die durch all-gemeine Verdrängung stattlich legitimierter Degradierung von MitbürgerInnen in ‚Wahrgebung’ von amtsmännischer Grösse generiert wurde - sein kann, ist eben solch eine offene Frage wie jene nach den aktuellen Aktivierungsbedingungen gegen einen Popularismus, der Angst macht, weil er eben diese Ämter genauso wiederbesetzen will. Somit – und das ist unterstützend zu wünschen – wäre das Projekt doch ein notwendiger Schnitt ins ‚Denkmal’ zum Mahnmal.

MALMOE

Stellungnahme des
Redaktionskollektivs
der Zeitschrift MALMOE

„Zwei von uns haben kürzlich gemeinsam mit dem `Verein Gedenkdienst´ die Gedenkstätten Auschwitz und Birkenau besucht. Unsere Gruppe setzte sich aus Interessierten aus Wien zusammen, die sich vorher nicht kannten und die höchst unterschiedliche Motive für und Zugänge zu dieser Reise hatten. Bei der Reflexionsrunde am letzten Abend, nachdem wir in Birkenau waren, schien das Gesehene und Gehörte einige von uns überfordert zu haben. Eine Antwort auf die Frage nach dem `Warum´ wurde fast verzweifelt gesucht – dass es der Antisemitismus war, schlicht und einfach, wollte in manche Köpfe nicht hinein. In der Rede von `immer schon dagewesenen´ oder `selbst bei den Tieren vorhandenen´ Ressentiments gegen `Fremde´ wurde versucht, die Verantwortung von den Tätern und Täterinnen und von deren Weltanschauung weg auf eine Konstante zu schieben, die allem innewohnt und für die niemand etwas kann.
Es ist also möglich, nach Auschwitz und Birkenau zu reisen, sich mit diesen Orten zu konfrontieren, sich über alles, was dort geschehen ist, zu informieren und dennoch nichts zu lernen. Karl Lueger, seine MitstreiterInnen, seine AnhängerInnen, seine VerharmloserInnen – sie führten aber direkt in die Vernichtungslager. Eine Ringstraße und einen Platz bis heute seinen Namen tragen zu lassen und daneben noch ein Denkmal für ihn bis heute unkommentiert zu belassen, ist die Fortsetzung dieser Verharmlosung und ein permanenter Beitrag zur Herstellung einer Normalität, die versucht, den Nationalsozialismus und die Shoah als etwas von der Wiener Geschichte abgeschnittenes und ihr `fremdes` zu kennzeichnen.
Jene Initiative, die im Stuwerviertel seit Jahren versucht, die Arnezhoferstraße – benannt nach einem antisemitischen Hetzprediger des 17. Jahrhunderts – umzubenennen, erhielt kürzlich eine Stellungnahme von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, in der es u.a. heißt: `Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man die Geschichte einer Stadt bzw. bestimmte Aspekte, auch wenn sie noch so unangenehm sind, beseitigen oder entfernen kann, indem man deren Symbole entfernt. Straßenumbenennungen gehören u.a. zum Handwerkszeug autoritärer oder totalitärer Regime und sind auch deswegen abzulehnen. (...) Kritisches und waches Bewusstsein zeigt sich nicht durch Tilgung, sondern durch historisch richtige Zu- und Einordnung von Namen.´
Liebe Stadt Wien! Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, dass auf der politischen Symbolebene der Straßenbenennung und Denkmalspflege nichts weiter getan werden muss, als diese mit Hinweis auf `unangenehme Aspekte´ der Geschichte stehen zu lassen. Es ist ein noch größerer Irrtum, zu glauben, dass Straßenumbenennungen und ähnliche Eingriffe Sache totalitärer Regime sind – konsequent weitergedacht hieße das ja, dass wir in Wien mindestens zehn Adolf-Hitler-Plätze und -Straßen und -Gassen haben müssten. Und so konsequent dies wäre angesichts der dreifachen Ehrung eines Karl Lueger im öffentlichen Raum dieser Stadt, so undenkbar ist es. Und wenn Stadtrat Mailath-Pokorny dann auch noch meint, statt `Tilgung´ solcher Namen sei die „historisch richtige Zu- und Einordnung von Namen´ vonnöten, dann fragen wir zunächst einmal, warum das nicht ohnehin passiert. Weiters fragen wir aber auch noch, wie weit die „richtige Zuordnung´ in Wien denn gehen darf. Denn die Vorschläge, die von der Stadt Wien dem Stuwerkomitee für eine Zusatztafel in der Arnezhoferstraße gemacht wurden, übertreffen sich gegenseitig in ihrer völligen Verharmlosung.
Daher unterstützen wir diese Initiative vollinhaltlich in der sicheren Annahme, dass sie eine klare Sprache finden wird, um das Lueger-Denkmal in die Geschichte Wiens, in die Geschichte der Shoah und in die Gegenwart einzuordnen.”

Walter Manoschek

ao. Professor am Institut für Staatswissenschaft, Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien

„Karl Lueger war nicht nur ein erfolgreicher Wiener Bürgermeister, sondern der erste Politiker, der politischen Antisemitismus gezielt politisch eingesetzt hat. Aus diesem Grund hatte Kaiser Franz Joseph seine Bestellung zum Bürgermeister mehrmals verhindert. Seine antisemitischen Ausfälle sind Legende. Sie reichen vom `Antisemitismus, der erst zugrunde gehen wird, wenn der letzte Jude zugrundegegangen ist´ bis zum `Antisemitismus, der uns förmlich eingetrieben wird´. 1890 erklärte Lueger, dass der Antisemitismus `förmlich eingetrieben wird durch die unersättliche Rachsucht, mit welcher die Juden ihre angeblichen oder wirklichen Feinde verfolgen´. Es war Luegers Antisemitismus, der Hitler in `Mein Kampf´ zu dem Satz bewegte: `Heute sehe ich in dem Mann mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten.´
An Lueger erinnern in Wien etwa ein Dutzend Denkmäler, Plätze, Straßennamen und Brücken. Kein Erinnerungsort verweist auf die Rolle Luegers als Antisemiten. Für die Universität Wien ist es international fatal, dass die Universitätsadresse `Dr. Karl-Lueger Ring 1´ lautet.“

Alexander Pollak

Sprachwissenschaftler

„Ein Denkmal für Lueger, das nicht zum Nachdenken über Antisemitismus anregt, ist ein Undenkmal und einer Demokratie nicht würdig. Viele haben schon umgedacht, jetzt ist es Zeit umzugestalten.“

Gerald Raunig

Philosoph und Kunsttheoretiker, Leiter der Vertiefung Theorie an der Zürcher Hochschule der Künste

„`Wer a Jud is, bestimm i ... ´ Das berüchtigtste Dictum des ohnehin durch seinen Brutal-Populismus zu zweifelhaftester Berühmtheit gelangten Dr. Lueger verstört heute vor allem durch seine erstaunliche Aktualität. Die rassistische Konstruktion `des Juden´ als radikal-subjektive Herrschaftsgeste kehrt im heutigen, vor allem medial dominierten Populismus nicht nur der FPÖ wieder, und es gibt auch Anzeichen dafür, dass sie sich zusehends wieder mit einer Gewaltpraxis von antisemitischen Übergriffen paart. Vor diesem bedrohlichen Hintergrund ist es höchste Zeit, die Geschichte Luegers auf‘ s Neue und auf neue Art zu thematisieren, die Dispositive heutiger Antisemitismen in differenzierter Weise mit dieser Historiografie zu verbinden und dies mit dem künstlerisch-formalen Anspruch des 'Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals'.“

Matthias Reichelt

Publizist und Ausstellungskurator, Berlin. Schreibt regelmäßig für Kunstforum International, die tageszeitung u. a.

„Die Initiative des `Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals´, das Denkmal des Antisemiten Karl Lueger kritisch zu kommentieren, ist durchweg der Unterstützung wert. Eine Forderung nach einem Abriss, wie sie vielleicht in den 1970er- und 1980er-Jahren erhoben worden wäre, würde die Chance verpassen, Geschichte zu verstehen und verständlich und anschaulich zu machen. Es ist zwar keineswegs verständlich und schon gar nicht akzeptabel, dass Karl Lueger immer noch eine Würdigung als früherer Bürgermeister von Wien erhält, obwohl seine antisemitische Haltung hinreichend belegt und bekannt ist, aber eine Beseitigung des Denkmals und eine Namensänderung des Platzes würden Geschichte und eben auch die gegenwärtige Geschichte nur spurlos eliminieren. Das Skandalon ist hingegen die bisherige Ignoranz der Politik und breiten Öffentlichkeit gegenüber einer antisemitischen historischen Person trotz der Erfahrung mit dem Massenmord an den europäischen Juden.
Vor diesem Hintergrund kann ich dem Ziel der Initiative, mit einer `Umgestaltung´ ein `Gegenmonument´ zu schaffen, `das sich dem Antisemitismus und Rassismus in Österreich widersetzt´ nur vorbehaltlos zustimmen und für seine Realisierung werben.“

Nora Sternfeld

Kunstvermittlerin

„Der öffentliche Raum mit seinen Straßennamen und Denkmälern erzählt davon, wie offiziell erinnert wird. Am Lueger-Platz wird mit einem Namen und einem Denkmal offiziell an einen Antisemiten gedacht. Bisher ist dabei jedoch nicht etwa die Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus das Thema, das hier verhandelt wird. Vielmehr ehren das Denkmal und sein Platz den antisemitischen Politiker als großen Mann. Mit dem Ausbleiben einer Kommentierung von offizieller Seite wird eigentlich jeden Tag auf‘ s Neue im Stadtraum bestätigt, dass in Wien antisemitisches und rassistisches Selbstverständnis als politisches Kleingeld in Kauf genommen werden kann.
Dass die Erinnerung nicht so bleiben muss, wie sie ist – dass dieses Selbstverständnis umstritten ist und angegriffen werden muss – macht der Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich klar. Diesem Projekt schließe ich mich in jeder Hinsicht an!“

Martin Wassermair

Historiker, Kultur- und Medienaktivist sowie Vorstandsmitglied des Kulturrat Österreich

"Solange Ewiggestrige hohe Positionen der Republik einnehmen, mit rechtsextremem Gedankengut die parlamentarische Demokratie aushöhlen und immer unverschämter nach Diskurshoheiten greifen, sind Störmanöver unbedingt geboten. Gegen die Gefälligkeit von Wegschauen und Vergessen, gegen Rassismus und Antisemitismus!"

Florian Wenninger

Verein Gedenkdienst, Der Verein ermöglicht einen Gedenkdienst als Zivil-Ersatzdienst an Holocaust- Gedenkstätten.

"Der Name Sigmund Freud steht in aller Welt für einen gewaltigen wissenschaftlichen Fortschritt, für einen Beitrag zur Emanzipation des Menschen, für Aufklärung im besten Wortsinn. Karl Lueger steht für das Gegenteil von alldem: Ein provinzieller Reaktionär, skrupellos, jederzeit bereit, Mitmenschen öffentlich zu denunzieren und aus dem Appell an niedrigsten Instinkte politisches Kapital zu schlagen. Für Sigmund Freud hat Wien keinen Platz, keine Strasse. Karl Lueger hat man nach 1945 nicht nur den unter den Austrofaschisten nach ihm benannten Abschnitt des Rings belassen, sondern zusätzlich auch den prominent gelegenen Platz samt Denkmal. Sigmund Freud öffentlich zu würdigen wäre eine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig Lueger aus dem öffentlichen Stadtbild tilgen zu wollen wäre aber falsch: er gehört zur Geschichte dieser Stadt, ist gewissermaßen ihr niederträchtiges Antlitz. Es geht darum, das offen auszusprechen, den Mann in den Kontext zu stellen der ihm gebührt. In diesem Sinne unterstützen wir die großartige Initiative zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals und wünschen Ihnen dafür alles Gute!"

Ruth Wodak

Sprachwissenschaftlerin, Distinguished Professor, Chair in Discourse Studies, Department of Linguistics and English Language, Bowland College Lancaster University

„Das Lueger Denkmal soll nicht aus dem Wiener Stadtbild verschwinden, denn Vergangenheiten verschwinden nicht! Vielmehr soll das Denkmal umgestaltet werden, sodass die historischen Bedeutungen sichtbar werden; durch die Einbettung in den Kontext und das Bewusstmachen der mit Lueger verbundenen antisemitischen Positionen wird das Denkmal sozusagen `umdefiniert´. Damit wird Vergangenheit nicht zum Schweigen gebracht, sondern man setzt sich mit ihr auseinander. Alternative?
Antirassistische - Positionen bekommen derart den notwendigen Raum in der Wiener Öffentlichkeit.“